Äußerer Bärenbartkogel 3471 m Freibrunner Spitze 3366 m (Hauptgipfel)

Eine spannende 3-Tages-Hochtour (siehe Resümee am Ende des Berichtes) mit zwei Übernachtungen auf der genialen Oberetteshütte im malerischen Obervinschgau inmitten von wunderschönen Bergseen (genannt auch Klein-Tibet) in Südtirol / Italien

Ötztaler Alpen & Obervinschgau / von der Oberetteshütte über den Verbindungsgrat West – Nordost / Italien
09/2020 / Technische Schwierigkeit: ZS- (AD-), Gletscherhänge bis 40°, im Fels I-II, Stelle III, sandige Schuttrinne bis 45°
sehr langer und nicht zu unterschätzender Grat (ca. 3 km)

Matscherjochsee, 3188 mit den Freibrunner Spitzen (links Nordgipfel, 3355 m) und (Mitte Hauptgipfel, 3366 m), rechts hinten im Bild die majistätische Weißkugel, 3739 m.

Der lange Verbindungsgrat (ca. 3 km) von der Freibrunner Spitze, 3366 m kommend, in der Mitte ist der Äußere Bärenbartkogel, 3471 m zu sehen, dahinter der Innere Bärenbartkogel, 3553 m sowie die Weißkugel, 3739 m.

Die magischen Saldurseen, diese Hochgebirgseenplatte beinhaltet sieben Seen in landschaftlich großartiger Umgebung (genannt auch Klein-Tibet) zw. 2750 m – 3000 m.

Unsere Unterkunft – die Oberetteshütte (2670 m)
Ein Juwel unter den Hütten, super Ausstattung, sehr sympathische Wirtsleute und vorzügliches Essen runden das Gesamtprofil der Hütte zur vollsten Zufriedenheit ab.
Uneingeschränkt weiter zu empfehlen! 🙂

Homepage: http://www.oberettes.it

Die Oberetteshütte, 2670 m, diese Hütte sei allen wärmstens ans Herz gelegt zu besuchen und ist uneingeschränkt weiter zu empfehlen. Frau Holle läßt auch noch grüßen! 🙂

Infrastruktur

Talort: Mals, 1051 m
Ausgangspunkt: Parkplätze am Glieshof, 1824 m und am Waldrand am Ende des Matschertals sind reichlich vorhanden.
Stützpunkte: Matscher Alm, 2050 m und Oberetteshütte, 2670 m
Teilnehmer: Tobias, Frank und Norbert

1. Tag

Über die linke Talseite des Matscher Tals gingen wir zunächst über einen breiten Forst- und später einen Waldweg gemütlich zur schön gelegenen und renovierten Matscher Alm, 2050 m.

ca. 1,0 Std. 226 Hm ↑

Wir kehrten auf der Matscher Alm (seit der Renovierung besteht Übernachtungsmöglichkeit) ein und wanderten über den Vinschger Höhenweg Nr. 7 bis zur Klamm im hinteren Matscher Tal. Wir überquerten die Klamm über eine Brücke und stiegen auf dem Wanderweg Nr. 2 zur Oberetteshütte, 2670 m auf.

ca. 3,0 Std.  ca. 750 Hm ↑
gesamt: ca. 4,0 Std. 976 Hm ↑

2. Tag

Wir brachen um 6:00 Uhr an der Oberetteshütte in der Dunkelheit mit Stirnlampen zunächst Richtung Weißkugel, 3739 m bis zu einer Abzweigung zum Matscherjochsee auf. Über einen neu angelegten und gut beschilderten Höhenweg erreichten wir den wunderschön gelegenen Matscherjochsee (3188 m, höchstgelegener Bergsee Südtirols und einer der höchsten der gesamten Alpen).

Aufstieg zum Matscherjochsee, 3188 m: ca. 4,0 Std. 750 Hm ↑ 250 Hm ↓
(einige Gegenanstiege)
Aufstieg Freibrunner Spitze, 3366 m:  ca. 0,5 Std. 164 Hm ↑

Matscherjochsee, 3188 m

Panorama Matscherjochsee, 3188 m mit den Freibrunner Spitzen (rechts Nordgipfel, 3355 m) und (Mitte Hauptgipfel, 3366 m). Rechts hinten im Bild, die majistätische Weißkugel, 3739 m.

Nach einer kurzen Rast am See stiegen wir über mühsames Stein- und Blockgelände zur Freibrunner Spitze, 3366 m auf.

Rabenkopf, 3393 m

Der vergletscherte Rabenkopf, 3393 m mit Matscherjochsee

Freibrunner Spitze, 3366 m

Nach der Freibrunner Spitze tasteten wir uns auf dem langen Verbindungsgrat in leichter Blockkletterei I-II (Stelle III) bis zum Äußeren Bärenbartkogel, 3471 m vor, der teilweise ausgesetzte Grat erforderte aufgrund seiner Länge (ca. 3 km) und nicht ganz einfache Wegfindung über viele Stunden volle Konzentration.

Die Schlüsselstelle im Fels und Eis

Die felsige III-er Schlüsselstelle (siehe Foto unten) ist ein Felsturm mit groben Platten, kurz nach den auffälligen, spitzigen Felsnadeln (siehe Foto oben) von der Freibrunner Spitze kommend. Dieser Felsturm wurde von uns links auf dem Freibrunner Gletscher umgangen. Leider waren die Verhältnisse auf dem abschüssigen, ausgeaperten, mit Blankeis überzogenen Gletscher (ca. 40°), aber nicht unbedingt einfacher, immer wieder mussten wir in den Fels ausweichen (II). Bei jedem Ausrutscher warteten weiter unten „gähnende Gletscherspalten“, welche einen zu verschlingen drohten. Im Falle eines Sturzes auf dem Blankeis hätte man unserer Einschätzung nach mit dem Eispickel kaum abbremsen können, sodass ein Zwischensichern mit Eisschrauben an diesem nordseitigen Gletscherhang kein überflüssiger Luxus gewesen wäre.

Äußerer Bärenbartkogel, 3471 m

Kurz nach dem Äußeren Bärenbartkogel, 3471 m stiegen wir in der Nähe des Bärenbartjochs, 3302 m über eine sandige, mit Schutt befüllte Rinne (ca. 45°) zu einem Gletschersee ab, um es noch rechtzeitig vor der Dunkelheit zurück zur Oberetteshütte zu schaffen. Der weitere Aufstieg zum Inneren Bärenbartkogel, 3553 m war auf dem nicht enden wollenden Grat aufgrund meiner schlechten körperlichen Verfassung und aus Zeitgründen leider nicht mehr möglich. Just in time und kurz vor der Dunkelheit gegen ca. 19:45 Uhr erreichten wir wohlbehütet unsere Unterkunft. Hüttenwirt Edwin hat bereits seine Tochter losgeschickt, um nach uns zu rufen bzw.  Ausschau zu halten. 🙁

3. Tag

Nach dem Frühstück stiegen wir gemütlich von der Oberetteshütte über den mit Drahtseilen gesicherten Höhenweg Nr. 4 (teilweise ausgesetzt, Schwindelfreiheit und Trittsicherheit erforderlich) zu den zauberhaften Saldurseen nach „Klein-Tibet“ auf (höchstgelegene Seenplatte Südtirols, zw. 3000 m – 2750 m).
Wir genossen das einmalige Panorama auf die Saldurseen (die Gegend hat wirklich tibetisches Flair, das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen) und stiegen über Wiesen und Wälder zum Ausgangspunkt zu den Glieshöfen ab. Die Sonnenterrasse des Almhotels Glieshof, 1824 m lud uns zum Essen ein, wir ließen die Tour Revue passieren und traten danach die Heimreise an.

Route

Aufstieg: ca. 2,5 Std. 368  Hm ↑
Abstieg zu den Glieshöfen: ca. 2,5 Std. 1214 Hm ↓
Gesamt: ca. 5 Stunden

Zauberhafte Saldurseenplatte in landschaftlich großartiger Umgebung

Frank gönnt sich ein erfrischendes Bad im unteren Saldursee auf 2750 m (Wassertemperatur ca. 7°) – Nur die Harten kommen in den Garten! 🙂

Glieshöfe, 1824 m

Resümee

Für Insider könnte man diese Tour im Nachhinein auch als „der lange Grat des Leidens in der Einöde Obervinschgaus“ oder „Bärenbart-Extrem“ betiteln. Aufgrund meiner körperlichen Beschwerden (Übelkeit, Erbrechen und Durchfall) wurde der nicht enden wollende Verbindungsgrat (ca. 3 km) von der Freibrunner Spitze, 3366 m, über den Äußeren Bärenbartkogel, 3471 m mit dem Ziel den Inneren Bärenbartkogel, 3553 m zu erreichen, zu einem wahren Kraftakt. Einmal mehr wurde die Leidensfähigkeit eines Bergsteigers gefragt, denn Optionen zum Ausstieg, Abbruch oder Abstieg boten sich bis zum Äußeren Bärenbartkogel, 3471 m unseres Erachtens nach nicht. Die erste Gelegenheit den Grat verlassen zu können, nutzten wir zwischen Äußerer Bärenbartkogel, 3471 m und Bärenbartjoch, 3302 m, um über eine sandige, steile und steinschlaggefährdete Moräne (ca. 45° auf ca. 200 m) bis zu einem Gletschersee abzusteigen. Von dort ging es unterhalb des steil abflachenden Matscher Ferners im weglosen Gelände ohne besonderen Schwierigkeiten zurück zur Oberetteshütte. Bei dieser Tour handelt es sich um keinen Normalweg von der Oberetteshütte, es war weder Handynetz auf der „fast“ gesamten Route vorhanden, noch waren andere Seilschaften anzutreffen gewesen. Die Kletterschwierigkeiten hielten sich zwar in Grenzen (meist I-II, eine Stelle III), aber der sehr lange, streckenweise ausgesetzte und teilweise brüchige Grat erforderte über Stunden volle Konzentration. Die Wegfindung auf dem Grat ist nicht immer einfach, sodass eine gewisse alpine Erfahrung, solide Kondition und gute körperliche Verfassung (was bei mir leider nicht der Fall war) unabkömmlich sind, um diesen Grat auch wirklich genießen zu können. Wenn man aber eine abgelegene und einsame Hochtour in einer wilden Gebirgswelt, außerhalb „Mainstream-Routen“sucht, dann kommt man hier voll auf seine Kosten!

Zum Schluss noch ein großer Dank für die stets super Moral, gegenseitige Unterstützung und Zusammenhalt an unsere Seilschaft.
Es hat mir einmal mehr gezeigt, wie wichtig es ist, mit den „richtigen Menschen“ am Berg zusammen zu sein, insbesondere in heiklen Situationen, wenn man vor nicht immer ganz einfachen Entscheidungen steht.